Philippinen: Wirtschaft in guter Position, um Gegenwind standzuhalten
Auf einen Blick
- Nach zwei Jahren starken BIP-Wachstums wird für dieses Jahr eine Verlangsamung erwartet.
- Abwärtsrisiken gehen von der weltweiten Konjunkturabschwächung, der sinkenden Auslandsnachfrage nach Fertigwarenexporten sowie von geopolitischen Spannungen aus.
- Die niedrige Auslandsverschuldung, hinreichend hohe Liquidität und die unverändert umsichtige Regierungspolitik des Landes bilden einen guten Schutz in einem unsicheren Umfeld.
- Die von Präsident Marcos Jr. verfolgte Stärkung des Sicherheitsbündnisses mit den USA erhöht Spannungen mit China im Südchinesischen Meer.
- Der Ausblick für die Risikobewertungen des Landes ist stabil.
Pro
Kontra
Staatsoberhaupt und Regierungschef
Bevölkerung
BIP pro Kopf
Einkommensgruppe
Hauptexportgüter
Vor dem Hintergrund rückläufiger Entwicklungen im In- und Ausland ist zu erwarten, dass sich die Wirtschaftsdynamik der Philippinen verlangsamt, dank der guten Leistungen zwischen Mitte 2021 und dem ersten Quartal dieses Jahres jedoch weiterhin stark bleibt. Nachdem die Wirtschaft 2020 durch die Covid-19-Pandemie in die tiefste Rezession in der Geschichte des Landes gestürzt war, konnte sie sich 2021 schrittweise erholen (+5,7 %). Die Wiederbelebung der privaten Nachfrage und der Anstieg der Investitionen bei sinkenden Infektionszahlen und einer Aufhebung der Mobilitätseinschränkungen sorgten 2022 für eine beschleunigte Fortsetzung des Wachstumstrends (+7,6 %).
Der philippinische Wirtschaftsausblick für dieses Jahr wird ähnlich wie bei den südostasiatischen Nachbarstaaten von der weltweiten Konjunkturabschwächung, der sinkenden Binnen- und Auslandsnachfrage (von der Fertigwarenexporte, insbesondere elektronische Geräte, betroffen sind) und gestiegenen geopolitischen Spannungen eingetrübt. Laufende Infrastrukturvorhaben im Rahmen des Regierungsprogramms „Build Better More“ (2022-2028) und eine steigende Nachfrage aus China – insbesondere im Tourismus – werden zur Abmilderung des allgemeinen Negativtrends im regionalen und globalen Handel beitragen, wobei die positiven Folgen der erstarkenden Chinanachfrage bisher noch nicht sichtbar sind. Die globale Unsicherheit ist unverändert hoch und könnte das reale BIP-Wachstum – in diesem Jahr bei 6 % – auf ein niedrigeres (allerdings immer noch erhöhtes) Niveau und damit näher an sein Potenzial bringen. Trotz einer hartnäckigen Inflation der Lebensmittel- und Kraftstoffpreise könnte ein Wirtschaftsabschwung die Inflation weiter verringern, nachdem sie 2022 auf 8,1 % gestiegen war, der höchsten Rate unter den fünf größten Volkswirtschaften Südostasiens. Seit Februar weist sie allerdings einen Rückgang auf (+6,6 % im April) und könnte sich Ende dieses Jahres dem oberen Bereich des Inflationsziels der Regierung annähern (4 %). Dies könnte das Ende zusätzlicher Maßnahmen zur geldpolitischen Straffung bedeuten: Wie die nachstehende Grafik zeigt, blieb der in Orange dargestellte Leitzins im Mai stabil bei 6,25 %, während die Inflation zurückging. Dies gilt insbesondere, wenn der Trend des Peso mitberücksichtigt wird. Die Währung ist im bisherigen Jahresverlauf gegenüber dem US-Dollar stabil geblieben und könnte von verschiedenen Faktoren weiter gestärkt werden. Einerseits könnte das Ende des Zinserhöhungszyklus in den USA den künftigen Abwertungsdruck auf den Peso reduzieren. Andererseits wird die Entwicklung des Leistungsbilanzdefizits zur Stützung des Peso beitragen: Nach einem starken Anstieg aufgrund der Auswirkungen des Ukrainekriegs auf die Importkosten geht das Leistungsbilanzdefizit aufgrund sinkender Rohstoffpreise und robuster Heimatüberweisungen in Höhe von über 20 % der Leistungsbilanzeinnahmen nunmehr von 4,4 % des BIP im Jahr 2022 auf erwartungsgemäß 2,5 % in diesem Jahr zurück.
In einem herausfordernden Umfeld bildet die Solidität der makroökonomischen Fundamentaldaten und des Bankensystems der Philippinen einen guten Schutz gegen externe Schocks. Mit robusten Währungsreserven von mehr als sechs abgedeckten Monatsimporten und einer recht niedrigen kurzfristigen Auslandsverschuldung ist die Liquiditätsposition des Landes stark. Außerdem sind Auslandsverschuldung und Schuldendienst vor dem Hintergrund einer angespannten globalen Finanzlage auf einem adäquaten Niveau und tragen zum unverändert niedrigen Finanzrisiko des Landes bei. Bei den öffentlichen Finanzen zeigt sich allerdings ein trüberes Bild, da umfangreiche Haushaltsdefizite und staatliche Fördermaßnahmen während der Pandemie zu einem Anschwellen der Staatsverschuldung um 20 % geführt haben: von 37 % des BIP im Jahr 2019 auf 57,5 % im Jahr 2022. Mittelfristig ist jedoch mit einer gewissen Stabilisierung zu rechnen und es ist zu erwähnen, dass die Regierungen zweier aufeinander folgender Präsidenten (unter Rodrigo Duterte und ab vergangenem Juli unter seinem Nachfolger Ferdinand Marcos Jr.) auf politische Kontinuität, umsichtige Regierungsführung und ein investitionsfreundliches Klima gesetzt und zu einem hohen Unternehmer- und Marktvertrauen im Land beigetragen haben. Gleichzeitig hat sich die Situation in den Bereichen Rechtsstaatlichkeit, Bürgerrechte und Korruptionsbekämpfung unter der Präsidentschaft Dutertes verschlechtert und es bleibt abzuwarten, ob die aktuelle Regierung diesen Trend umkehren kann. Im vergangenen Februar haben die Philippinen als eines der letzten Mitglieder die Umfassende regionale Wirtschaftspartnerschaft (Regional Comprehensive Economic Partnership – RCEP) ratifiziert, ein Freihandelsabkommen unter 15 Mitgliedsstaaten aus dem asiatisch-pazifischen Raum, worunter China. Das Inkrafttreten des Abkommens am 2. Juni dürfte folglich zu einer Steigerung der regionalen Handels- und Investitionsattraktivität der Philippinen führen.
Ein großer Unterschied zwischen beiden Präsidenten ist jedoch die Verteidigungspolitik. Während Duterte die Verbindungen zu China gestärkt hat und eine Abkehr des Landes von den USA anstrebte, verfolgt Marcos Jr. einen ausgewogeneren Ansatz. Seit seinem Amtsantritt treibt er die Intensivierung der Sicherheitsbeziehungen zwischen den Philippinen und dem Bündnispartner USA aktiv voran, während sich die US-chinesische Rivalität verschärft. Dies führt zu erhöhten Spannungen rund um umstrittene Inseln und zwischen philippinischen und chinesischen Schiffen im Südchinesischen Meer. Gleichzeitig pflegt Manila weiterhin gute Handelsbeziehungen zu Peking. Über kurz oder lang könnten diese jedoch von den zunehmenden maritimen Streitigkeiten beschädigt werden, zumal die USA und die Philippinen zu Chinas großem Unmut noch für dieses Jahr gemeinsame Seepatrouillen planen. Ein weiteres Risiko geht vom Klimawandel aus. In Südostasien sind die Philippinen extremen Naturkatastrophen am stärksten ausgesetzt, insbesondere schwereren Taifunen und höheren Temperaturen. Die zunehmende Häufigkeit und Intensität solcher Ereignisse wird die künftige Wirtschaftsleistung wahrscheinlich nicht unbeeinflusst lassen.
Für die Zukunft bewertet Credendo die Risiken des Landes als gut bis moderat mit stabilem Ausblick.
Analyst: Raphaël Cecchi – r.cecchi@credendo.com