Internationaler Handel: Handelsbeschränkungen nehmen weltweit zu
Auf einen Blick
- Seit 2020 ist ein schneller Anstieg von Handelsbeschränkungen zu beobachten, die an verschiedenen Orten, in unterschiedlichen Branchen und aus vielfältigen Gründen verhängt werden.
- Das Hauptaugenmerk (geo-)politisch motivierter Beschränkungen liegt weiterhin auf der Technikbranche.
- Die Energiewende beschleunigt Handelsbeschränkungen für kritische Rohstoffe, während der Krieg in der Ukraine und der Klimawandel die Verabschiedung zahlreicher Beschränkungen für Nahrungs-, Futter- und Düngemittel ausgelöst haben.
- Der Klimawandel verursacht Verkehrsbeschränkungen und hat damit unmittelbare Auswirkungen auf den Gütertransport.
Die Covid-19-Pandemie, der Krieg in der Ukraine, die Ernährungskrise, geopolitische Spannungen, die Energiewende sowie der Klimawandel haben die Zahl der seit 2020 verhängten Handelsbeschränkungen rasant steigen lassen. Konkret hat sich die Zahl der errichteten Handelshindernisse laut IWF seit 2019 verdreifacht und diese protektionistischen Maßnahmen haben anhaltende Auswirkungen auf den Welthandel, da sie die ausgetauschten Volumina beschränken, die Kosten für Unternehmen erhöhen und Lieferketten beeinträchtigen. Insbesondere in den letzten Wochen wurden an verschiedenen Orten, in unterschiedlichen Branchen und aus vielfältigen Gründen auf der ganzen Welt neue De-facto- oder De-jure-Beschränkungen eingeführt.
Die Technikbranche im Zentrum (geo-)politisch motivierter Beschränkungen
Vor dem Hintergrund der Spannungen zwischen den USA – und des Westens allgemein – und China wird die Technikbranche erneut von handelsbeeinträchtigenden Maßnahmen getroffen. Die USA versuchen, Chinas Zugang zu oder Produktion von hochmodernen Chips einzuschränken, die in sensiblen Bereichen wie Militär und künstlicher Intelligenz zum Einsatz gelangen. Zu diesem Zweck haben die USA im vergangenen Jahr verschiedene Maßnahmen gegen die chinesische High-Tech-Branche ergriffen. So wurden Ausfuhrkontrollen für moderne Chips eingeführt, und US-amerikanische Firmen dürfen in China keine Investitionen mehr in moderne Halbleiter tätigen. Außerdem gilt für Investitionen in andere Halbleitertypen und künstliche Intelligenz eine Meldepflicht.
Nachdem die Niederlande und Japan Ausfuhrkontrollen für Maschinen zur Produktion moderner Chips eingeführt hatten, reagierte China Anfang Juli mit Exportbeschränkungen für Gallium und Germanium, zwei Metalle, die unter anderem in der Herstellung von Chips und Kommunikationsgeräten verwendet werden. Seit Anfang August müssen chinesische Exporteure für die Ausfuhr dieser Metalle eine Lizenz des Handelsministeriums beantragen. Diese Maßnahme ergänzt Chinas bestehendes Verbot des Einsatzes von Produkten des amerikanischen Speicherchipherstellers Micron in „kritischer nationaler Infrastruktur“.
Gallium und Germanium sind Metalle, die in der Herstellung von Chips, Glasfaserkabeln, E-Fahrzeugen und einer Vielzahl von Telekommunikationsprodukten zum Einsatz kommen. Außerdem werden sie in der Rüstungsindustrie und im Bereich der erneuerbaren Energien, unter anderem in Solarzellen und LEDs, verwendet. Mit einem Anteil von circa zwei Dritteln an der weltweiten Germaniumproduktion und circa 80 % an der globalen Galliumproduktion ist China der führende Produzent beider Stoffe. Japan, Südkorea, Indien und Taiwan sind die größten Importeure.
Der Umfang der Auswirkungen wird davon abhängen, in welchem Maße die Ausfuhrkontrollen den tatsächlichen Export beeinträchtigen. Wenn die Gallium- und Germaniumexporte nur geringfügig reduziert werden, sind Behelfslösungen möglich, auch wenn Unternehmen eine gewisse Anpassungszeit benötigen. Alternative Bezugsländer sind bei Germanium unter anderem die USA, Kanada und Belgien und bei Gallium unter anderem Südkorea und Japan. Des Weiteren verfügt Südkorea über umfangreiche staatliche Lagerbestände, was die Auswirkungen für die Chiphersteller dieses Landes zumindest vorübergehend abfedern sollte. Eine Blockade sämtlicher Ausfuhren aus China wäre ein ernsthaftes Problem, da die Suche nach umfangreichen alternativen Bezugsquellen, insbesondere bei Gallium, Jahre dauern und hohe Kosten verursachen würde. In dem Fall würden die Preise dieser Metalle, die bisher nur geringfügig angestiegen sind, in die Höhe schnellen.
Gleichzeitig schaffen die Exportkontrollen Unsicherheit für Unternehmen und bilden einen Gradmesser für die Bereitschaft Pekings, in den Technologiespannungen mit dem Westen nicht untätig zu bleiben. Dies unterstreicht die Möglichkeit weiterer Maßnahmen für andere Produkte.
Aber auch die chinesischen Produzenten dieser Metalle, meist relativ kleine, exportabhängige Unternehmen, dürften für den Schritt einen hohen Preis bezahlen.
Eine weitere Einschränkung für die Branche wurde Anfang August verabschiedet: In einem überraschenden Schritt verhängte Indien mit sofortiger Wirkung Einfuhrbeschränkungen für Laptops und Tablets, um sein „Make in India“-Programm zu fördern und die heimische Hardware-Industrie zu stärken. Unternehmen benötigen eine Lizenz für „importbeschränkte Waren“, um diese Geräte nach Indien zu liefern. Aufgrund einer entstehenden Verknappung könnten die Preise solcher Produkte in Indien steigen, wobei die Maßnahme in erster Linie Unternehmen treffen würde, die ihre Geräte nicht in Indien endmontieren, zum Beispiel Apple oder ASUS.
Energiewende beschleunigt Handelsbeschränkungen für kritische Rohstoffe
Die schnell wachsende Nachfrage nach kritischen Rohstoffen wie Seltene Erden, Lithium, Kobalt und Nickel, die in der Dekarbonisierung der Wirtschaft eine zentrale Rolle spielen, bewirkt angesichts der Konzentration des Angebots einen Anstieg des internationalen Handels mit solchen Produkten. Die Entwicklung dieses internationalen Handels geht jedoch auch mit einem Anstieg von Ausfuhrbeschränkungen einher, vorwiegend in Form von Exportsteuern. Die OECD-Datenbank über Handelsbeschränkungen für Rohstoffe zeigt, dass Ausfuhrbeschränkungen für kritische Rohstoffe seit 2009 um ein Fünffaches zugenommen haben, und dass 10 % des globalen Handels mit kritischen Rohstoffen heute mindestens einer Ausfuhrbeschränkungsmaßnahme unterliegen.
In diesem Spannungsfeld verhängen immer mehr Länder Ausfuhrbeschränkungen und Verbote, um ihre Binnenkonjunktur zu fördern. Zum Beispiel gilt in Indonesien seit 2020 ein Verbot für Nickelerzexporte, und in diesem Sommer hat das Land ähnliche Verbote für andere Rohstoffe wie Bauxit und Kupfer verhängt. Als eines der letzten Länder hat Namibia im Juni Exportverbote eingeführt, die sich auf unverarbeitetes Lithium und andere kritische Mineralien (Kobalt, Mangan, Graphit und Seltene Erden) beziehen. Tatsächlich steigt das Interesse an den Rohstoffen dieses Landes, da es über beträchtliche Lithiumvorkommen verfügt.
Wachsender Nahrungsmittelprotektionismus aufgrund von Preisentwicklungen und Ernährungssicherheit
Der Anstieg von Ausfuhrbeschränkungen für Nahrungs-, Futter- und Düngemittel seit dem Ausbruch des Kriegs in der Ukraine ist besonders auffallend. Während die Welthandelsorganisation Anfang 2022 lediglich eine geltende Beschränkung für diese Güter feststellte, war diese Zahl Ende Februar 2023 auf 68 gestiegen und lag Mitte Juli 2023 immer noch bei 59.
Seit Mai 2022 galt in der EU ein Einfuhrverbot für landwirtschaftliche Erzeugnisse aus der Ukraine (einschließlich Weizen und Mais). Die Maßnahme ging auf die Tatsache zurück, dass einige Länder (Polen, Slowakei, Ungarn, Rumänien und Bulgarien) einen Preisverfall auf ihren Märkten befürchteten, da die billigeren ukrainischen Produkte innerhalb ihrer Landesgrenzen verblieben. Die eingeführten Beschränkungen erlaubten ausschließlich den Transit dieser Waren über die obigen Länder. Nach dem Auslaufen des Abkommens am 15. September beschloss die EU, das Verbot aufzuheben, da in den Ländern keine Marktverzerrungen festzustellen seien. Polen und Ungarn kündigten jedoch an, die Beschränkungen einseitig aufrechtzuerhalten.
Neben geopolitischen Faktoren kann auch der Klimawandel Grund für die Einführung von Handelsbeschränkungen im Nahrungsmittelbereich sein. Am 20. Juli kündigte Indien ein sofortiges Ausfuhrverbot für weißen Nicht-Basmati-Reis an (der circa die Hälfte der gesamten indischen Reisexporte ausmacht), um angesichts steigender Preise infolge von schweren Monsunregenfällen die inländische Versorgung zu schützen. Da Indien mit einem Anteil von 40 % an den globalen Reisexporten der größte Reisexporteur weltweit ist, hat dieser Schritt erhebliche Auswirkungen auf den internationalen Markt sowie auf die Preise, die seit dem Inkrafttreten des Verbots mit circa 20 % gestiegen sind. Es wird erwartet, dass andere große Exporteure (vorrangig Thailand und Vietnam) Indiens Vorbild folgen werden, um ihre eigenen Märkte zu schützen. Vor dem Hintergrund eines schon jetzt angespannten Markts und Befürchtungen im Zusammenhang mit dem Auftreten von El Niño würde dies den Preis noch weiter in die Höhe treiben.
Das Einfuhrverbot für japanische Meeresfrüchte, das China kürzlich als Reaktion auf den Beginn der Einleitung von radioaktivem Wasser aus dem havarierten Atomkraftwerk Fukushima verhängte, dürfte indes nur geringe Auswirkungen auf den internationalen Markt haben, da Japan lediglich ein kleiner Exporteur ist. Gleichwohl dürfte das Wegfallen des chinesischen Markts ein herber Verlust für japanische Produzenten sein, da sie in China circa ein Fünftel ihrer Einnahmen erwirtschaften.
De-facto-Beschränkungen für den Güterverkehr durch extreme Klimaereignisse
Weiterhin wird der internationale Warenhandel auch von Durchfahrtsbeschränkungen im Panamakanal infolge einer Dürre in der Region beeinträchtigt. Die aktuellen Einschränkungen, die mehrere Monate gelten werden, beziehen sich auf den maximalen Tiefgang eines Schiffes und die Zahl der Schiffe, die den Kanal pro Tag passieren dürfen. Dies verursacht Verzögerungen durch Schiffswartezeiten – mitunter von über einer Woche – und Zusatzkosten für Reedereien. Bisher ist es jedoch zu keinen großen Verkehrsstörungen gekommen, und aufgrund einer Überkapazität an Containern auf dem Markt sollten Frachtratenerhöhungen begrenzt bleiben. Die Frachtraten in der Containerschifffahrt zwischen Shanghai und New York sind zwischen Ende Juni und Ende August um 37 % gestiegen.
Analystin: Florence Thiéry – f.thiery@credendo.com