Trotz anhaltender Strukturreformen werden wirtschaftliche und politische Probleme noch länger bestehen
- Präsident Moreno befindet sich in einer schwierigen politischen Lage, die im Vorfeld der Parlamentswahlen von 2021 noch angespannter werden dürfte.
- Die angekündigte Haushaltskonsolidierung ist entscheidend für die Eindämmung der hohen und weiter steigenden Staatsverschuldung.
- Hoher Auslandsschuldendienst birgt Risiken für das Land bei einer Verschärfung der globalen Finanzlage.
- Ein Finanzpaket von multilateralen Organisationen wird die Wirtschafts- und Liquiditätslage Ecuadors in den kommenden Jahren stärken.
Politische Machtkämpfe zwischen altem und neuem Präsidenten belasten die Politik
Präsident Moreno, der nun seit zwei Jahren im Amt ist, will einen anderen politischen Kurs als die vorherige Regierung von Rafael Correa einschlagen. Nachdem der linksgerichtete Populist Correa das Land ein Jahrzehnt lang (von 2006 bis 2016) regiert hatte, präsentierte er Moreno als seinen Nachfolger. Moreno und Correa kamen zunächst gut miteinander aus, was u. a. durch die Vizepräsidentschaft Morenos unter Correa (2007 bis 2013) deutlich wurde. Nachdem Moreno jedoch (knapp) zum neuen Präsidenten gewählt wurde, distanzierte er sich von Correa und seiner Politik. Daher leidet die Regierungspartei Alianza PAIS (AP) seitdem unter internen Querelen. Das Überlaufen von etwa 30 AP-Abgeordneten zur Bürgerrevolution, einer von Correa gegründeten politischen Bewegung, hat die Regierung sogar ihre Mehrheit gekostet, sodass sie nun von der Unterstützung der Opposition abhängig ist. Das Zerwürfnis wurde noch größer, als im Februar 2018 durch ein Referendum eine Beschränkung auf zwei Amtszeiten für das Amt des Präsidenten eingeführt wurde, die Correas Rückkehr unmöglich gemacht und Morenos Präsidentschaft gestärkt hat. Die politische Lage dürfte in den kommenden Jahren angespannt bleiben. Dies liegt hauptsächlich an Präsident Morenos Vorgehen gegen Korruption bei führenden Mitgliedern der vorherigen Regierung und der Ausstellung eines Haftbefehls gegen Correa wegen seiner angeblichen Verwicklung in die Entführung von einem seiner Gegner im Jahr 2012. Darüber hinaus ist es wahrscheinlich, dass sich der fortdauernde Machtkampf zwischen Moreno und Correa – und damit auch die Risiken von politischer Instabilität – im Vorfeld der Parlamentswahlen von 2021 noch verstärken wird.
Erneute Rezession in Ecuador in diesem Jahr wahrscheinlich
Ecuador leidet seit 2014 unter den historisch niedrigen Ölpreisen, da der Ölsektor ungefähr 10 % des Gesamt-BIP und etwas weniger als 30 % der Leistungsbilanzeinnahmen ausmacht. Des Weiteren ist die Wirtschaft seit 2000 vollständig dollarisiert. Durch den steigenden Kurs des US-Dollars wird die Wirtschaft deutlich gebremst. Ein weiteres Problem ist Ecuadors sinkende Wettbewerbsfähigkeit, denn die Löhne sind schneller als die Produktivität gestiegen. Diese Faktoren und die fortdauernde Haushaltskonsolidierung dürften die Wirtschaft dieses Jahr in eine kleine Rezession stürzen, bei der das reale BIP-Wachstum ungefähr -0,5 % betragen dürfte. Dies wäre die zweite Rezession innerhalb von drei Jahren, nachdem das BIP-Wachstum 2016 nach einem verheerenden Erdbeben auf -1,2 % zurückgegangen war. In den kommenden Jahren dürfte das BIP-Wachstum aufgrund der Strukturschwächen (z. B. das schwierige Geschäftsumfeld) und der fortdauernden Haushaltskonsolidierung eher gering bleiben (0,2 % im Jahr 2020 und 1,2 % im Jahr 2021). Für die mittel- bis langfristige Stimulierung des Wirtschaftswachstums werden die Diversifizierung der Wirtschaft und eine wachsende Wettbewerbsfähigkeit, z. B. durch Technisierung oder eine verbesserte Infrastruktur, entscheidend sein.
Eines der wichtigsten Ziele Morenos ist somit, das Vertrauen der Unternehmen wiederherzustellen und Investitionen insbesondere im unterentwickelten Bergbau (der 2017 ungefähr 5 % der Leistungsbilanzeinnahmen ausmachte) anzuziehen. Für das Ankurbeln der Wirtschaft setzt der Andenstaat auf ausländische Direktinvestitionen. Die politischen Entscheidungen unter der alten Regierung Correa haben das Vertrauen untergraben: 2008 der Staatsbankrott, 2009 der Austritt aus dem Internationalen Zentrum zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten, 2014 die Verstaatlichung des Ölsektors und 2017 die Aufkündigung von bilateralen Investitionsabkommen. Diese Ereignisse erklären auch das hohe Enteignungsrisiko (6 von 7). Trotz der Versuche Morenos, diese Entwicklung umzukehren – z. B. durch ein umfassendes Freihandelsabkommen (Comprehensive Economic Partnership Agreement) mit der Europäischen Freihandelsassoziation – nehmen die Direktinvestitionen nur allmählich zu (sie betrugen 2018 lediglich 0,9 % des BIP).
Finanzierungspaket multilateraler Organisationen wird Ecuadors Wirtschafts- und Liquiditätslage verbessern
Auch eine Reihe von Krediten dürfte Ecuadors schwache Wirtschaft wiederbeleben. Im Februar 2019 hat Moreno Kredite im Wert von 10,2 Milliarden USD gesichert. Dies sind ein 4,2-Milliarden-USD-Geschäft mit dem IWF und Darlehen im Wert von 6 Milliarden USD von Institutionen wie der Weltbank, der Entwicklungsbank der Andengemeinschaft und der Interamerikanischen Entwicklungsbank. Die Kreditge bedeuten nicht nur mehr Gestaltungsspielraum für die Wirtschaft, sondern auch eine Belebung der Liquiditätslage und die Begünstigung der Dollarisierung in den nächsten Jahren. Das Land hat wenige Devisenreserven (die im Februar 2019 nur einen Monatsimport abdeckten). Eine Erschöpfung der Devisenreserven hätte angesichts der vollständigen Dollarisierung in Ecuador einen Liquiditätsengpass zur Folge, der die Regierung dazu verleiten könnte, Import- oder Kapitalverkehrskontrollen einzuführen.
Weiterer Sparkurs zur Eindämmung der explodierenden Staatsverschuldung nötig
Unter Correa hatte sich die Haushaltslage bereits während der Hochpreiszeiten des Öls verschlechtert, was hauptsächlich an der Verdoppelung der öffentlichen Ausgaben lag. Der Verfall des Ölpreises Mitte 2014 hat die Haushaltslage logischerweise weiter verschlechtert, da der Ölsektor eine wichtige Einnahmequelle des Staates darstellte. Daher vergrößerte sich das Haushaltsdefizit rasant und erreichte 2016 mit -8,2 % des BIP einen hohen Spitzenwert, als die Kosten für den Wiederaufbau nach dem Erdbeben von April 2016 eine zusätzliche Belastung für den Regierungshaushalt waren. Die Staatsverschuldung stieg ebenfalls schnell an, was insbesondere an der deutlich höheren Auslandsverschuldung lag. Die Staatsverschuldung hat sich innerhalb von fünf Jahren mehr als verdoppelt (von 20 % des BIP Ende 2013 auf 46,1 % des BIP Ende 2018). Dadurch haben sich die Zinszahlungen stark erhöht und das höchste Niveau seit einem Jahrzehnt erreicht. In den darauffolgenden Jahren strebte Moreno eine Haushaltskonsolidierung an, die in Verbindung mit steigenden Ölpreisen zu einem Rückgang des Haushaltsdefizits führte. So wird das Haushaltsdefizit für 2018 auf -0,9 % des BIP geschätzt, was relativ gering ist. In den kommenden Jahren will Moreno Sparmaßnahmen durchführen (insbesondere weil sie der Dreh- und Angelpunkt des mit dem IWF-Darlehen einhergehenden IWF-Programms sind), sodass die Haushaltsbilanz 2020 einen Überschuss aufweisen dürfte, während für dieses Jahr mit einem Nulldefizit gerechnet wird. Folglich dürfte die Staatsverschuldung Ende 2019 mit 49,2 % des BIP einen Spitzenwert und damit ein hohes Niveau für das Land erreichen, bevor sie allmählich wieder sinkt.
Die Umsetzung der Sparpläne dürfte für die Regierung schwierig werden, insbesondere weil der Zustrom der Venezolaner, die vor der Krise in ihrem Land flüchten, eine weitere Belastung darstellt. Aufkommende Proteste gegen die Sparpläne werden wahrscheinlicher.
Aufgrund der speziellen Lage in Ecuador ist die Haushaltskonsolidierung für die kommenden Jahre dennoch von größter Bedeutung. Erstens kann durch die vollständige Dollarisierung der Wirtschaft das Haushaltsdefizit nicht monetarisiert werden, ohne dass dadurch der Dollarisierungsrahmen gefährdet wird (wie unter Correa geschehen). Zweitens hatte Ecuador in den letzten Jahren mit China zwar eine verlässliche Finanzierungsquelle, aber die Kreditbedingungen dieser Darlehen könnten sich durch die schwächere Konjunktur in China und eine weltweit höhere Risikoaversion verschärfen. Drittens ist der Zugang zu den internationalen Kapitalmärkten nicht einfach (wenn auch weniger schwierig als in den letzten Jahren), da die Märkte sich der aktuellen finanziellen und wirtschaftlichen Herausforderungen des Landes bewusst sind. Darüber hinaus beweist die Erinnerung an den Staatsbankrott von 2008, dass Ecuador über keine unbegrenzte Zahlungswilligkeit verfügt. Somit sind ausländische Finanzierungsmittel teuer für das Land. Und schließlich ist die Haushaltskonsolidierung eine Voraussetzung für das IWF-Programm. Wenn dessen Ziele verfehlt werden, könnten Ecuador seine „günstigen“ Darlehen (im Vergleich zu Kreditaufnahmen auf den Märkten) verwehrt werden.
Zölle und Importbeschränkungen zur Eindämmung des Leistungsbilanzdefizits haben Tradition
Seit der Dollarisierung ist die Leistungsbilanz sehr wichtig für Ecuador. Aufgrund der vollständigen Dollarisierung könnten (große) Leistungsbilanzdefizite zu einem Liquiditätsengpass führen – insbesondere weil die Devisenreserven des Landes begrenzt sind. Nachdem der Ölpreis 2014 abstürzte, verschlechterte sich die Leistungsbilanz schnell, da die Einnahmen aus dem Ölexport ungefähr die Hälfte der Leistungsbilanzeinnahmen ausmachten. Die Regierung Correa reagierte darauf mit der Einführung von „Sicherheitszöllen“ und Importbeschränkungen, die ab 2015 einen starken Rückgang der Importe zur Folge hatten. Dennoch lag das Leistungsbilanzdefizit 2015 bei -2,2 % des BIP, was ein Fünfjahrestief darstellte; 2016 erholte es sich jedoch rasch und erreichte mit 1,3 % des BIP einen Überschuss, da die Importe weiter gesenkt wurden. Erst in der zweiten Hälfte des Jahres 2017 wurden die vorübergehenden Zölle aufgehoben. 2017 und 2018 war die Leistungsbilanz leicht defizitär (mit jeweils -0,4 % und -0,7 % des BIP), ab 2019 dürfte sie jedoch in den schwarzen Zahlen bleiben. Prognosen zufolge wird die Leistungsbilanz nach einem kleinen Überschuss von 0,4 % im Jahr 2019 in den kommenden Jahren steigen und jeweils einen komfortablen Überschuss von ca. 1,5 % des BIP aufweisen. Dies liegt hauptsächlich an den steigenden Exporterlösen (vor allem vom Öl) und der verbesserten Haushaltslage. Falls jedoch ein Handelsschock auftreten sollte (z. B. durch mehr Protektionismus, einen Ölpreisverfall oder eine deutliche Verlangsamung des BIP-Wachstums der USA oder Chinas) oder es Schwierigkeiten bei der Finanzierung von Leistungsbilanzdefiziten geben sollte (z. B. aufgrund einer Verschärfung der globalen Finanzlage), sind neue Importbeschränkungen nicht völlig ausgeschlossen.
Hoher Schuldendienst birgt Risiken für das Land bei einer Verschärfung der globalen Finanzlage
Haushalts- und Leistungsbilanzdefizite haben die Auslandsverschuldung in die Höhe getrieben. Ende 2018 lagen die Gesamtauslandsverbindlichkeiten ungefähr bei 40 % des BIP, also auf einem noch moderaten Niveau, waren damit aber doppelt so hoch wie noch vor fünf Jahren (nahezu 20 % des BIP im Jahr 2013). Vergleicht man die Leistungsbilanzeinnahmen mit der Schuldenquote, ist die Entwicklung der Schulden noch viel alarmierender. Der Weltbank zufolge lag die Auslandsverschuldung Ende 2017 ungefähr bei 180 % der Leistungsbilanzeinnahmen, womit sie sehr hoch war und drei Mal so hoch wie vor fünf Jahren (ca. 60 % der Leistungsbilanzeinnahmen im Jahr 2012). Dennoch wird die Auslandsverschuldung in den kommenden Jahren voraussichtlich einen Spitzenwert von weniger als 45 % des BIP erreichen, bevor sie auf lange Sicht allmählich sinkt, während die Auslandsverschuldung im Vergleich mit den Leistungsbilanzeinnahmen aufgrund der wachsenden Leistungsbilanzeinnahmen bereits eine positive Tendenz aufweist. Des Weiteren ist das Verhältnis der kurzfristigen Auslandsverschuldung zu den Leistungsbilanzeinnahmen seit 2011 um mehr als 60 % auf etwa 18 % der gesamten Leistungsbilanzeinnahmen im Juni 2018, damit ein für dieses Land noch eher geringes Niveau, gestiegen. Darüber hinaus hat der Anstieg der Auslandsverschuldung zu einer Erhöhung des gesamten Auslandsschuldendienstes geführt. Gemäß den Daten der Weltbank hat Ecuador 2017 ca. 30 % seiner Leistungsbilanzeinnahmen für die Tilgung seiner Auslandsverschuldung ausgegeben, während es 2011 etwa 10 % waren. Der Schuldendienst hat sich gegenüber den Leistungsbilanzeinnahmen verdreifacht. Darüber hinaus dürfte der Schuldendienst auf mittlere Sicht hoch. Dadurch wäre es riskant für das Land, wenn der Zugang zu den ausländischen Kapitalmärkten plötzlich unterbrochen würde.
Credendo stuft das kurzfristige politische Risiko Ecuadors in Kategorie 4 von 7 mit stabilem Ausblick ein. Das Land erfreut sich einer geringen kurzfristigen Auslandsverschuldung, aber auch die Devisenreserven sind niedrig. Dennoch wird das Finanzierungspaket von multilateralen Organisationen die Liquiditätslage kurzfristig verbessern. Das mittel- und langfristige politische Risiko wird in Kategorie 6 von 7 mit stabilem Ausblick eingestuft. Ecuadors hohe Risikoeinstufung ergibt sich trotz der erwarteten Leistungsbilanzüberschüsse durch seine hohe Auslandsverschuldung und die hohe Schuldendienstquote im Vergleich mit den Leistungsbilanzeinnahmen, seine schwache Haushaltslage, seine angespannte politische Lage, seine Risiken bei einer Verschärfung der Finanzlage und seine mangelnde wirtschaftliche Diversifizierung.
Analystin: Jolyn Debuysscher – J.Debuysscher@credendo.com